Ausgewogen geht anders


„Wenn sich aus Ignoranz Strom erzeugen ließe, wäre RWE jetzt reich“

Das ZDF-Magazin Frontal21 berichtet in seiner Sendung vom 12. April über die aktuelle Lage und die Zukunftspläne von RWE. Dass es dabei nicht um eine ausgewogene Berichterstattung geht, macht Moderatorin Ilka Brecht schon in der Anmoderation klar: „Wenn sich aus Ignoranz Strom erzeugen ließe, wäre RWE jetzt reich“. Im Mittelpunkt stehen Themen wie der Ausfall der Dividende, die Gründung der NewCo, die Zukunftsperspektiven der RWE AG und die Behauptung, RWE kassiere Geld für die Bereitstellung von Kraftwerken, die RWE ohnehin habe stilllegen wollen. Zu Wort kommen ausschließlich kritische Stimmen – Prof. Claudia Kemfert, Oliver Krischer (MdB, Grüne), zudem Ernst Gerlach sowie ein Kommunalpolitiker der Linken, der den Unterschied zwischen Rendite und Dividende nicht kennt.

 

Richtig ist der Hinweis im Beitrag, dass wir uns aufgrund des geplanten Börsengangs nicht vor der Kamera zu dem umfangreichen Fragenkatalog der Frontal21-Redaktion im Einzelnen äußern wollten – zumal wir kurz zuvor die gleichen Fragen bereits für eine andere ZDF-Redaktion ausführlich beantwortet hatten. Das war der Frontal21-Redaktion jedoch keine Erwähnung wert. Unser Faktencheck zeigt: die meisten anderen Aussagen und Behauptungen in dem TV-Beitrag sind falsch.

 

THEMA: NewCo-Gründung, Perspektiven der RWE AG

„Jetzt will sich RWE aufspalten, in einen Teil mit erneuerbaren Energien, die Gewinn bringen soll. Und in einen Teil mit alten Kraftwerken, den Verlustbringern“
„Das Bündeln der fossilen Kraftwerke in einer Gesellschaft ist im Grunde das Eingeständnis, dass die alte Welt vorbei ist, das ist eine Abwicklungsgesellschaft. Und dort Anteile zu haben, ist halt sehr riskant. Ich muss sagen, ich könnte nicht ruhig schlafen, wenn ich solche Anteile in meinem Portfolio hätte.“ (Prof. Uwe Leprich, Energiewissenschaftler)

Faktencheck: Falsch. RWE spaltet sich nicht auf, sondern hat mit der RWE International SE eine Tochtergesellschaft gegründet, in der die erneuerbaren Energien, Netze und Vertrieb im In- und Ausland gebündelt sind. Die RWE AG konzentriert sich auf die konventionelle Stromerzeugung und den Energiehandel, außerdem wird sie auch langfristig Mehrheitsaktionärin der neuen Tochtergesellschaft bleiben. Von „Verlustbringern“ kann also keine Rede sein. Das betont auch der künftige RWE-Vorstandsvorsitzende Rolf Martin Schmitz im Interview mit dem Handelsblatt: „Auch die RWE AG hat eine eigene Zukunftsstory. Wir haben die Chance mit unserem Knowhow und mit Geldzufluss, den ich steuern kann, neue Geschäfte zu entwickeln. Warum sollte die RWE AG nicht irgendwann von einer Konsolidierung der Branche profitieren?“ (Handelsblatt, 13.04.2016)

THEMA: Dividende, Auswirkungen auf Kommunen

„Seit vier Jahren fährt hier keine Straßenbahn mehr, die Strecke war marode, die Stadt Mülheim an der Ruhr hat kein Geld für Reparaturen. Thomas Dallmeier ist Jugendleiter beim SV Raadt, er ärgert sich, dass die Kinder jetzt auf den Ersatzbus angewiesen sind: „Das ist sehr gefährlich, da die Kinder über die Straße laufen und es zu schweren Unfällen kommen kann. Und es ist vor vier Jahren schon ein schwerer Autounfall passiert“. Mülheim muss an der Infrastruktur sparen, ein Grund für die desolate finanzielle Lage sind die Aktiengeschäfte der Kommune…“
„Mülheim besitzt 9,8 Millionen Aktien von RWE, durch den Kursverfall in den letzten Jahren hat sie rund 500 Mio. Euro verloren, dieses Jahr durch den Wegfall der Dividende noch einmal 7,35 Mio. Euro.“

Faktencheck: Geschmacklos. Die Frontal21-Redaktion vermittelt hier in unsäglicher Weise den Eindruck, der Ausfall der RWE-Dividende gefährde das Leben von Kindern in der Stadt Mülheim. Die Straßenbahn wurde bereits vor vier Jahren stillgelegt, heißt es in dem Bericht: Seitdem hat die Stadt Mülheim rechnerisch rund 60 Millionen Euro an RWE-Dividenden ausgeschüttet bekommen (Dividende je Aktie von 2011 bis 2014: 6 Euro). Von den Dividenden-Zahlungen in den Jahren zuvor ganz zu schweigen.

THEMA: Kapazitätsmarkt, Sicherheitsbereitschaft

Frontal 21 macht RWE‘s angebliche Abhängigkeit von der Kohle verantwortlich für den Kursabsturz der RWE-Aktie an der Börse. Mit Hinweis auf das Umweltbundesamt werden Angaben zum RWE-Erzeugungsportfolio gemacht: 60% Kohlestrom, 4% Strom aus erneuerbaren Energien.

Faktencheck: Falsch. Diese Zahlen sind schlicht falsch. Ein Blick in den RWE-Geschäftsbericht hätte genügt, um die richtigen Zahlen zu finden: Bezogen auf die Kraftwerksleistung ist Gas der wichtigste Energieträger. Sein Anteil daran belief sich Ende 2015 auf 32 %. Mit stabilen 23 % liegt Braunkohle an zweiter Stelle, gefolgt von Steinkohle mit 22 % (Vorjahr: 21 %). Die erneuerbaren Energien kommen auf 9 % und sind damit der einzige Energieträger, dessen Anteil im RWE-Erzeugungsportfolio gewachsen ist (2014 waren es noch 7 %). Die erneuerbaren Energien sind an der Kernenergie vorbeigezogen, deren Anteil mit 8 % unverändert blieb.

Im weiteren Verlauf des Beitrags wird erwähnt, dass fünf Kraftwerke von RWE nun „abgeschaltet und als Reserve bereitgehalten“ würden. In diesem Zusammenhang wird Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel zitiert, der sich gegen einen Kapazitätsmarkt als „Hartz IV für Kraftwerke“ ausspricht.

Faktencheck: Unsauber. Hier ist unsauber recherchiert worden: Die angesprochene Sicherheitsbereitschaft, in die RWE fünf Kraftwerksblöcke ab 2017 einbringen wird, ist kein Kapazitätsmarkt, auf den sich die mehrere Jahre alte Aussage von Minister Gabriel bezog.

In der Sendung wird behauptet, es lägen Unterlagen vor, nach denen RWE selbst schon 2011 die Leistung der Kraftwerke in Frimmersdorf bis 2022 mit Null Megawatt kalkuliert habe. Gleiches gelte für Niederaußem.

Faktencheck: Falsch. Frontal 21 greift zum angeblichen Beleg dieser Aussage auf die Kraftwerksliste zurück, die die Bundesnetzagentur als Grundlage des Szenariorahmens zum Netzentwicklungsplan 2012 genehmigt hat. Bei der Erstellung dieser Liste legt die Bundesnetzagentur für Braunkohlenkraftwerke eine angenommene technische Lebensdauer von 50 Jahren zugrunde. Im Gegensatz zu den Planungen von RWE werden daher die 300 und 600 MW-Blöcke in Frimmersdorf und Niederaußem in den Szenarien für die Zieljahre 2022 und 2032 pauschal als stillgelegt angenommen. RWE und der Bundesverband Braunkohle DEBRIV haben diese realitätsferne und pauschale Annahme einer festen Lebensdauer regelmäßig im Rahmen der Konsultation zum Szenariorahmen kritisiert, die Bundesnetzagentur aber nicht zu einer entsprechenden Änderung bewegen können.

Daran anschließend wird in der Sendung der Vorwurf laut, RWE bekomme damit Geld für Anlagen, die sowieso abgeschaltet werden sollten. Das bestätige auch die Bundesnetzagentur auf Anfrage: „Für die Netzreserve sind die genannten Braunkohlenblöcke nicht vorgesehen.“

Faktencheck: Falsch. Tatsache ist, dass RWE keine Stilllegungsbeschlüsse für die fünf Kraftwerke in Frimmersdorf, Niederaußem und Neurath getroffen hat, die in den kommenden Jahren in die Sicherheitsbereitschaft gehen sollen. Vielmehr muss RWE Anlagen vom Netz nehmen, die weiter gelaufen wären. Das stellt uns vor große Herausforderungen und wird mit entsprechenden Personalanpassungen verbunden sein. Beim Zitat der Bundesnetzagentur zeigt sich wieder die sehr unsaubere Recherche, denn es bezieht sich gar nicht auf die Sicherheitsbereitschaft: Die von der Bundesnetzagentur im Zitat angesprochene Netzreserve ist dafür vorgesehen, das Netz in Süddeutschland stabil zu halten und dort die Versorgung zu sichern. In der Netzreserve sind daher Kraftwerke, die südlich des Mains stehen. Da eine Anlage, die einmal in der Netzreserve ist, nicht mehr an den Strommarkt zurückkehren darf, sind dort auch nur Anlagen drin, die ansonsten stillgelegt worden wären. Gerade das trifft aber auf unsere Anlagen, die in die Sicherheitsbereitschaft gehen, nicht zu: Wir wollten die fünf Blöcke weiter betreiben.