Energieexpertin fällt durch


Klarstellung zu Interviews von Claudia Kemfert

 

Wissenschaftler sind der Wahrheit verpflichtet – das heißt, sich an die Fakten zu halten. Eigentlich. Claudia Kemfert arbeitet am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) und bekleidet eine Professur an der Berliner Hertie School of Governance. Vielen Medien gilt sie als die Energieexpertin in Deutschland. Aber wie ist es um Faktentreue bestellt?

 

Diese Woche gab Kemfert Interviews unter anderem im ARD-Mittagsmagazin (Dienstag, 18. Mai) und in den Dortmunder Ruhr Nachrichten (Donnerstag, 20. Mai). Einem Faktencheck halten viele Aussagen nicht stand.

Aussage: „Kohlestrom verursacht Umwelt- und Klimaschäden, die Atomenergie gigantische Kosten für Rückbau und Lagerung des Atommülls. Dieser Kosten-Tsunami wird heimlich von den Stromkunden bezahlt und der Energiewende untergeschoben.“

Faktencheck: Falsch.

Die Energieversorger müssen für jede Tonne des Klimagases CO2, das Kohlekraftwerke ausstoßen, ein Emissionszertifikat kaufen und bezahlen. Die Betreiber bezahlen auch den Rückbau der Kernkraftwerke. Die Endlagerung ist Sache des Bundes. Dafür ist gerade beschlossen worden, dass ein Fonds geschaffen wird – in den die Versorger einzahlen. Dies taucht in den Gewinn- und Verlustrechnungen der EVU gewinnmindernd auf, aber nicht auf den Stromrechnungen der Endkunden. Der größte Kostenblock der Energiewende sind die Zusatzkosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien – 23 Milliarden Euro pro Jahr; nicht eingerechnet Kosten für Netzausbau, Redispatchmaßnahmen …Die zahlt der Stromkunde tatsächlich mit seiner Rechnung.

Aussage: „Wir haben noch immer viele Atom- und Kohlekraftwerke am Netz, die wir eigentlich gar nicht mehr brauchen. Das führt zu einem Überschuss im Stromangebot, was die Strompreise an der Börse sinken lässt, weswegen im selben Maß die EEG-Umlage steigt.“

Faktencheck: Falsch.

Der Strompreis an der Strombörse ist niedrig, weil große Mengen an subventionierter erneuerbarer Energie – Wind- und Sonnenstrom – auf den Markt kommen. Wind und Sonne verdrängen bei hohem Angebot fossil gefeuerte und Kernkraftwerke. Denn für Wind und Sonne fallen keine Kosten an, für Kohle, Gas oder Brennelemente, und natürlich CO2-Zertifikate sehr wohl. Diesen Mechanismus nennt man „merit order“, er gehört zum Grundwissen der Energieökonomen. Und wie ist die Behauptung, wir brauchen viele Kohle- und Kernkraftwerke nicht mehr? Da sei nur an den 24. Januar erinnert, als die Netzbetreiber die Lage als kritisch einstuften und nahezu alles ans Netz musste, was eine funktionierende Turbine hat und Strom erzeugen konnte. Es herrschte nämlich Dunkelflaute, Wind und Sonne konnte so gut wie nicht zur Stromproduktion beitragen.

Aussage: „Die Energiekonzerne geben die sinkenden Börsenpreise nicht an die Endkunden weiter […]. Würde man keine Abwrackprämie für alte Kohlekraftwerke finanzieren, würde der Strompreis ganz schnell sinken.“

Faktencheck: Ebenfalls falsch.

Es ist bislang nur ein Kraftwerk in der Sicherheitsbereitschaft. Welchen Effekt soll das auf den– Strompreis haben? Und im Stromvertrieb herrscht seit Jahren scharfer Wettbewerb um den Kunden. Wer versucht, zu hohe Preise abzurechnen, den bestraft die Konkurrenz. Frau Kemfert sagt es in dem Ruhr Nachrichten ja selbst: „Wer vergleicht, findet schnell günstigere Angebote.“ Na also. Im Übrigen: Gestiegen sind vor allem die staatlichen Umlagen! Mittlerweile betragen sie über 50 Prozent des Strompreises.

Aussage: „Es ist Zeit, […] den überdimensionierten  Netzausbau samt Traumrenditen für Netzbetreiber abzuschaffen.“ 

Faktencheck: Eine ziemlich exklusive Betrachtung.

Alle Analysen der Bundesnetzagentur zeigen, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien im Norden und Osten der Republik – weit entfernt von den Verbrauchszentren im Westen und Süden – der Grund dafür ist, dass neue Netze notwendig sind. Wie wollen wir diesen Strom denn nutzbar machen, wenn wir ihn nicht transportieren? Und von Traumrenditen der Netzbetreiber kann sicher keine Rede sein, dafür sorgt schon die staatliche Kontrolle durch die Regulierer.