Unvollständig und einseitig


„Die letzten Tage von RWE“ titelte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am letzten Wochenende. Unser Faktencheck zeigt: Das könnten lange letzte Tage werden.

 

Die Aussagen, die der Autor trifft, der übrigens erstmals über die Energiebranche schreibt und Geschichte, Nordgermanische Philologie sowie Euroculture studiert hat, sind teils falsch, teils unvollständig, teils unseriös überzogen. Wir greifen nachstehend einiges davon auf:

„Deutschlands größter Stromerzeuger ist zum Pleitekandidaten geworden…“

Faktencheck: Falsch.

Ein Blick in die Bilanz zeigt: RWE steht hier auf stabilen Beinen. Insolvenz droht nur bei Illiquidität oder Überschuldung – also wenn man seine Rechnungen nicht mehr bezahlen oder ein negatives Eigenkapital ausweist. Bei RWE ist weder das ein noch das andere der Fall.

 

Dagegen spricht eine Liquidität von mehr als 11 Milliarden Euro (zum Stichtag 31.3.2016, in Form von flüssigen Mitteln und Wertpapieren). Außerdem haben wir zusätzlichen Spielraum von 9 Milliarden Euro, der so bislang jedoch noch nicht genutzt wurde (Commercial-Paper-Programm über 5 Milliarden US-Dollar zur kurzfristigen Finanzierung am Geldmarkt; syndizierte Kreditlinie über 4 Milliarden Euro, die RWE ein internationales Bankenkonsortium gewährt).

 

Der Journalist erwähnt dagegen nur das „Geld aus der Kasse“, das uns über die Zahlungen unserer Kunden zur Verfügung steht. Das klingt nach überschaubaren Beträgen. Dabei betragen allein unsere flüssigen Mittel über 4 Milliarden Euro. Auch beim Eigenkapital liegt er nicht richtig – siehe unten.

„RWE hat keine Zukunft mehr.“

Faktencheck: Einzelmeinung.

So etwas kann man als persönliche Meinung natürlich vertreten – man ist nur unter Branchenkennern eher alleine damit. RWE hat mit dem Konzernumbau wichtige strategische Weichen für die Zukunft gestellt. RWE steht auf drei Säulen: Konventionelle Stromerzeugung, Energiehandel und Beteiligung an innogy – RWE soll langfristig Mehrheitsaktionärin bleiben. Die Reaktion der Finanzmärkte zeigt: Das Modell wird offensichtlich für zukunftsfähig gehalten: Unter anderem zeigt RWE seit Jahresbeginn – also seitdem das Zukunftsmodell bekannt ist – die zweitbeste Performance im Dax.

 

Die neue Struktur verbessert zudem die finanzielle Flexibilität der RWE AG: Mit dem geplanten IPO soll ja gerade ein liquider Vermögenswert geschaffen werden, der in sehr kurzer Zeit Zugang zu Cash durch Anteilsverkäufe gewährleisten kann, sobald die neue Gesellschaft am Markt platziert ist.

„Langfristige Verbindlichkeiten machen fast das Achtfache des Eigenkapitals aus.“

Faktencheck: Falsch.

Ein Blick in die Bilanz zeigt, dass diese Aussage falsch ist. Die langfristigen Schulden übersteigen das Eigenkapital um das Fünffache – der Journalist hat bei seiner Berechnung für das Eigenkapital einen um 3 Milliarden Euro zu geringen Wert angesetzt.
-  Langfristige Schulden per 31.12.2015: 45,315 Mrd. €
-  Eigenkapital per 31.12.2015: 8,894 Mrd. €.

 

Das Eigenkapital per 31.12.2015 gliedert sich in folgende Positionen auf:
-  Anteile der Aktionäre der RWE AG: 5,847 Mrd. €
-  Anteile Hybridkapitalgeber RWE AG: 0,95 Mrd. €
-  Anteile anderer Gesellschafter: 2,097 Mrd. €

„RWE verabschiedet einen Sparplan nach dem anderen“

Faktencheck: Unvollständig und einseitig.

Bei den verabschiedeten Programmen handelt es sich nicht um reine Sparpläne, sondern um Effizienzsteigerungsprogramme. Der Unterschied ist, dass sich Effekte aus Effizienzverbesserungen nachhaltig positiv auf das betriebliche Ergebnis auswirken. Zudem resultieren Erhöhungen der Effizienzsteigerungsziele vor allem auch aus der Tatsache, dass man im Laufe der Umsetzung deutlich höheres Potenzial entdeckt hat, als zunächst konservativ angenommen.

„Mitarbeiter sollen auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld verzichten“

Faktencheck: Unvollständig.

Gespräche über einen sogenannten Notlagen-Tarifvertrag werden nur für die Konventionelle Stromerzeugung geführt, nicht für das gesamte Unternehmen.

„Dringende Investitionen in Wind- und Sonnenstrom wurden zuletzt gestrichen.“

Faktencheck: Falsch und unvollständig.

Investitionen wurden für 2015 im Vergleich zu den Vorjahren gekürzt, aber nicht gestrichen. Zudem hat der Vorstand auf dem Capital Market Day betont, dass die Erlöse aus der geplanten Kapitalerhöhung im Zuge des geplanten Börsengangs nicht zuletzt der Finanzierung von Wachstum wie durch Investitionen in Erneuerbare Energien zugutekommen soll.

„Vielleicht klappt der Zaubertrick, für einen Teil des Konzerns mehr Geld zu bekommen, als RWE zur Zeit insgesamt wert ist.“

Faktencheck: Falsch und unseriös.

Das hat mit Zaubertricks nichts zu tun, sondern ist knallharte Bewertungsrechnung, die man den handelnden professionellen Investoren durchaus zutrauen darf.

„Wenn der Brexit die britische Wirtschaft tatsächlich ins Straucheln bringt, wird das auch dem britischen RWE-Ableger schaden. Von den Währungseffekten ganz abgesehen.“

Faktencheck: Falsch bezogen auf die Währungseffekte.

Zum einen ist RWE ist durch die auf Britisches Pfund (GBP) lautenden Anleihen vollständig gegen einen Verfall des Pfund Sterlings abgesichert. Negative Währungseffekt gäbe es – wenn überhaupt – erst sehr langfristig. Zum anderen reduziert eine Abwertung des britischen Pfunds sogar das Anleihevolumen und damit unsere Verschuldung, da für die in GBP begebenen Papiere auf Euro-Basis ein niedrigerer Wert angesetzt wird.

Fazit
Der Artikel ist insgesamt unseriös und tendenziös; Fakten werden teils falsch und insbesondere unvollständig dargestellt. Das Gesamtbild, das von RWE gezeichnet wird, ist extrem verzerrt. Unsere durchaus schwierige wirtschaftliche Lage wird als unmittelbar existenzbedrohlich für den Konzern dargestellt.

 

Der Journalist hat bewusst nach negativen Themen gesucht. So beschränkt sich die Darstellung des Erneuerbaren-Energien-Segments auf Investitionskürzungen, das Vertriebssegment wird auf das UK-Geschäft reduziert; das Netzgeschäft kommt hingegen gar nicht vor.